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Eine Quarantäne ist wohl nie sonderlich angenehm, weil sie meistens nicht selbst gewählt ist. Bereits in der griechischen Antike und in einem der berühmtesten Dramen, in Aristophanes' Lysistrate, wird zu diesem Mittel gegriffen, und dabei wird aus der Not – dem Krieg – eine Tugend – der Frieden – gemacht mit Hilfe einer Art Quarantäne.

Den Inhalt hat sich der Griechisch-Kurs der EF im Fernstudium nahegebracht. Charlotte Lyon hat darüber hinaus kongenial ins Bild gesetzt, wofür Eva Thüsing die folgenden Worte für Inhaltsangabe und Kommentar gefunden hat.

(14. Mrz. 2021, Sin.)

 

"In seiner Komödie Lysistrate gestaltet der bedeutendste Dichter der alten Komödie, Aristophanes, die Vorstellung aus, dass die Frauen aus Athen und Sparta im Zusammenschluss die Staatskassen ihrer Städte beschlagnahmen, um damit ihre Männer zu zwingen, mit dem Peloponnesischen Krieg aufzuhören. Das wollen sie dadurch erreichen, dass sie ihren Männern ganz aus dem Weg gehen und nichts mehr für sie tun (zum Beispiel: Kinder zu versorgen, den Haushalt zu führen, Liebesdienste zu erweisen). Die Ideenstifterin und durchgehende "Anheizerin" für die Umsetzung des gefassten Beschlusses ist Lysistrate, eine Athenerin, der das ständige Kriegführen und die dauerhafte Abwesenheit der Männer ganz besonders auf die Nerven geht und die in ihrer selbstbewussten und zielstrebigen Art die anderen Frauen in einer Versammlung überzeugen kann, sich ihren Männern zu entziehen, obwohl die anderen diesem Plan zu Beginn völlig abgeneigt sind.

Aus dem Beschluss zur Verwirklichung dieses Planes entwickelt sich ein reges Gefecht zwischen den im Stich gelassenen Männern und den die Burg der Akropolis besetzenden Frauen. Die Männer fassen in ihrer Wut und Fassungslosigkeit über den Ungehorsam der Frauen kurzschlüssige Pläne zu deren Bestrafung: Einige von ihnen äußern den Befehl, die Burg mitsamt den Frauen anzuzünden, manche entwickeln andere Gewaltphantasien.

Die Frauen aber bringen in Form von herausfordernden Schimpfreden gegen das Vorhaben ihren Unmut zum Ausdruck und bewegen die Männer dazu, in ein Wortgefecht einzusteigen. Die gegenseitigen Beleidigungen, Anschuldigungen und (Gewalt-)Androhungen, die in dieser hochgeschaukelten Stimmung ausgetauscht werden, bilden in gewisser Hinsicht den Höhepunkt dieser Komödie. In ihnen kommen die beiderseitigen Wertungen der eingefahrenen Rollenverteilung und Formung der Gesellschaft zum Ausdruck.

Dabei werden die Frauen als sehr willensstark und selbstbewusst gezeichnet. Sie erheben sich gegen die andauernde Bevormundung durch ihre Männer und machen deutlich, dass die Beschlüsse, die ihre Männer in den regelmäßigen "Vollversammlungen" treffen, allesamt unüberlegt und unverständig seien in ihrer alleinigen Ausrichtung auf das Führen unnötiger Kriege. Die Männer, die zunächst als diejenigen gezeigt werden, die sich in ihrem Zorn nicht zügeln können, später aber doch den Rückzug antreten vor ihren zu "Furien" gewordenen Frauen, wirken dagegen ziemlich wankelmütig: Nicht nur die Unbeständigkeit ihres Wortes – zunächst kündigen sie groß den Kampf gegen die Frauen an, dann aber jammern sie herum, als diese sie mit Wasser begießen –, sondern vor allem die Entwicklung der Handlung erzeugt diesen Eindruck. Denn ziemlich schnell bricht die Stimmung im "Lager" der Männer um, als die Frauen an ihrer Ankündigung festhalten, nicht eher nach Hause zu kommen, bis ihre Männer nicht mit den Spartanern Frieden schließen. Schließlich halten sie es nicht mehr aus ohne ihre Frauen, ebenso wie die Spartaner, die in der gleichen Situation stecken, weil die Frauen sich verbündet haben. Alle drängen plötzlich darauf, so schnell wie möglich Frieden zu schließen, worauf die Handlung dieser Komödie auch hinausläuft.

Meiner Ansicht nach besteht das "Witzige" in dieser Gesamthandlung vor allem in der Darstellung der Männer, welche nach außen immer zeigen müssen, wie stark, siegreich, kämpferisch sie sind und nur aus diesem Grunde Krieg führen, aber dann nicht ein paar Tage ohne ihre Frauen auskommen und sofort völlig zusammenbrechen. Damit wird dem Leser ein ziemlich "jämmerliches Bild" von den Männern geboten, denn eigentlich schaffen sie gar nichts ohne ihre Frauen, denen sie sich kurz zuvor noch in allem haushoch überlegen fühlten. Vor allem in dem schon oben beschriebenen Wortgefecht wird dieses Charakterbild der athenischen Männer ausgestaltet. Diese Gestaltung hat mich vor allem in Hinblick auf die vulgäre Ausdrucksweise an einigen Stellen sehr überrascht, wobei ich finde, dass Aristophanes gerade dadurch noch den Eindruck verstärkt, dass sich beide – Männer und Frauen – in gewisser Weise wie kleine Kindern verhalten, die abhängig voneinander sind und gleichermaßen schwach in Bezug auf das Leben ohne das jeweils andere Geschlecht – denn auch die Frauen werden so gezeichnet –, dass sie vor allem aber in der Kommunikation miteinander hilflos sind.

Auch die von den Männern empfundene "Notwendigkeit" des Krieges wird ins Lächerliche gezogen: Im Rahmen der Forderung nach Frieden durch Lysistrate wird nämlich die widersinnige Handhabung des Themas durch die Männer aufgedeckt: In ihren vielen Ratssitzungen beschließen sie einerseits den Krieg, sie streben quasi danach – hier aber werfen sie den Frauen vor, nicht mehr für ihre Sicherheit sorgen zu können, wenn sie nicht an das Geld aus der Staatskasse kommen (um die Kriegsausrüstung zu bezahlen). Wenn sie jedoch von vornherein keine Kriege erklären würden, hätten sie ihre "angestrebte" Sicherheit – nämlich den Frieden für die Gesellschaft – sofort; ihr Kriegführen "für den Frieden" ist also völlig widersinnig.

Ich denke, dass die Komödie auch heute noch viele Anregungen zum Nachdenken bietet. Man kann sich sehr gut in die Situation der Frauen hineinversetzen, zumal die von Aristophanes dargestellte Natur des Mannes ja nicht plötzlich den totalen Umbruch erlebt hat. Auch heutzutage geht es in manchen Ländern aufgrund von Mangel an guten, gerechten Verfassungen nicht viel anders zu. Vor allem aufgrund dieses kritischen Blickes, den Aristophanes auf die gesellschaftliche Ordnung und Zustände seiner Zeit hat, finde ich seine Komödie auch heute sehr amüsant."